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Unterkapitel Kameradenrettung

Rettungstechniken

Auf eine Spaltenbergung muss man im vergletscherten Gelände vorbereitet sein. Die Rettungstechniken sind relativ anspruchsvoll, doch wenn man sie beherrscht und im Ernstfall schnell und geübt handelt, dann passiert bei einem Spaltensturz im Normalfall wenig.

Bei der Wahl der Rettungsmethode bei einem Spaltensturz ist die Anzahl der Seilschaftsmitglieder entscheidend – genauso aber auch ihr Wissen darüber, wie sie sich zu verhalten haben. Im Optimalfall können sich alle Mitglieder per Selbstrettung aus der Spalte befreien. Zudem sollten der Mannschaftszug und die Lose Rolle beherrscht werden.

Bei einem Sturz wirken hohe Kräfte. Wichtig ist deshalb eine schnelle Reaktionsfähigkeit und eine rasche Einnahme der Bremsposition. Dann gilt es, Ruhe zu bewahren und sich gut und deutlich mit den Seilschaftspartnern über die nächsten Handlungsschritte abzustimmen.

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Rettungsmethoden: Lose Rolle

Lose Rolle

Bei kleinen Seilschaften (zwei bis drei Personen) kommt bei der Partnerrettung die Lose Rolle zum Einsatz. Durch die Flaschenzugmethode halbiert sich das Gewicht des Gestürzten, so dass im besten Fall ein starker Partner den Gestürzten auch alleine herausziehen kann. Dafür ist allerdings einiges an Material nötig: ausreichend Restseil, Reepschnüre, Karabiner und eine Rollenklemme.

Hinweis: Eine Umlenkrolle mit Rücklaufsperre, wie die MicroTraxion von Petzl, reduziert die Reibung und ermöglich somit eine optimierte Kraftübertragung – was speziell bei Zweierseilschaften das Herausziehen erleichtert.

 

Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4 Schritt 5 Wichtig
STURZ HALTEN

Kommt es zum Spaltensturz, gilt es, den Gestürzten so schnell wie möglich abzufangen und zu bremsen: Man wirft sich auf den Boden, um den Schwerpunkt in Richtung Oberfläche zu bekommen und rammt Schuhe, Pickel oder Hände in den Firn.

Während die hintere Person das Seil auf Zug hält, errichtet die vordere, spaltennähere Person (grüner Helm) einen Fixpunkt zur Lastübertragung – je nach Untergrund einen T-Anker oder eine Eisschraube.

 

VERANKERUNG BAUEN

Um sich dabei freier bewegen zu können übernimmt der Hintermann die volle Last und der Vordermann knüpft eine mittellange Prusikschlinge am Lastseil ein – mit einem Sackstich direkt nach dem Prusik-Knoten. Die Prusikschlinge wird daraufhin mit einem Sackstich direkt in den Sicherungsring des Gurtes geknotet. Anschließend hängt sich der Mittelmann aus dem Seil aus und bleibt über die Prusik gesichert. Dadurch hat er mehr Freiraum beim Graben des T-Ankers.

Nun muss der Mittelmann (grüner Helm) den Fixpunkt schaffen (T-Anker oder Eisschraube) und schließlich die Last mittels einer Schlinge im abgeknoteten Auge seiner Selbstsicherungsprusik übertragen.

 

KONTAKTAUFNAHME

Der Vordermann hängt seinen Anseilknoten zur Rücksicherung in den Karabiner des Fixpunktes und positioniert sich (stehend oder sitzend) mit straffer Selbstsicherung bei der Verankerung, um diese zu hintersichern. Langsam wird dann von dem Hintermann (blauer Helm) die Last auf den Fixpunkt übertragen. Er öffnet das Restseil, geht dann (ebenfalls mit Prusikschlinge selbstgesichert) vorsichtig zur Spalte, löst dabei eventuelle Bremsknoten und beginnt dann mit dem Aufbau der Losen Rolle.

AUFBAU LOSE ROLLE

Nach der Kontaktaufnahme zu dem Gestürzten lässt er das Restseil zu ihm ab – doppelt genommen und mit einem eingehängten Verschlusskarabiner.

Optimal ist die Verwendung eine Klemme mit Seilrolle (z. B. Micro Traxion). Sie bietet sowohl eine Rolle zur Reibungsverringerung wie auch eine Rücklaufsperre.

RETTUNG

Der Gestürzte hängt den Karabiner der Klemme mit Seilrolle in seinen Anseilpunkt. Der Retter am Spaltenrand sowie der Mittelmann am Fixpunkt können nun mit dem Zug beginnen.

Besitzt die Seilschaft keine Klemme mit Seilrolle muss das freie Seilende mit einer Rücklaufsperre gesichert werden, indem eine Prusikschlinge darum geknüpft und in den Verschlusskarabiner der Person am Spaltenrand (blauer Helm) eingehängt wird.
Die Seilpartner ziehen dann Hub für Hub gemeinsam den Gestürzten herauf. Nach jedem Hub muss die Rücklaufsperre dabei nach vorne geschoben werden.

SPALTENRAND

Wichtig: Je näher die gestürzte Person an den Spaltenrand gezogen wird desto langsamer und behutsamer muss man weiterziehen: die Verletzungsgefahr an der Spaltenlippe ist nochmals sehr hoch.

 

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Rettungsmethoden: Mannschaftszug

Mannschaftszug

Bei einer größeren Seilschaft von mindestens 4 Personen ist der Mannschaftszug die schnellste, einfachste und auch gängigste Rettungsmethode. Das Prinzip ist hierbei recht simpel: Der Gestürzte wird von den restlichen Seilschaftsmitgliedern aus der Spalte gezogen.

Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4
Abbremsen und Lastenübernahme

Um den Sturz schnellstmöglich abzufangen, bremsen die anderen Seilschaftspartner so gut wie möglich den Sturz ab. Oft reicht bei einer größeren Seilschaft bereits die Einnahme eines sicheren Stands.
Nun ist gute Kommunikation und Abstimmung gefordert: Der dem Spaltenrand am nächsten ist, knotet eine 5–6 mm dicke Reepschnur mit einem Prusikknoten um das Seil und sichert sie mit einem Sackstich an seinem Anseilring. Daraufhin signalisiert er den hinteren Seilschaftspartnern, dass er sich aus dem Seil aushängt und die Last nun von ihnen übernommen werden muss.

 

Kontaktaufnahme

Während die anderen Seilschaftsmitglieder auf Position bleiben und den Gestürzten halten, nähert sich der Vordermann am Prusik vorsichtig dem Spaltenrand, wo er Kontakt zu dem Gestürzten aufnimmt.

HERAUSZIEHEN DES GESTÜRZTEN

Am Spaltenrand platziert er den Pickel unter dem Seil, um zu verhindern, dass es sich noch tiefer einschneidet. Der Pickel wird mit einer Bandschlinge in der Prusikschlinge gesichert.

Nun gehen auf Kommando vom Vordermann die restlichen Seilpartner nach hinten und ziehen dosiert den Gestürzten langsam heraus.

Überwindung Spaltenrand

Die Überwindung des Spaltenrands stellt die finale Herausforderung dar: Je näher der Gestürzte dem Spaltenrand kommt, desto vorsichtiger muss gearbeitet werden. Um die Spaltenlippe zu überwinden, sollte behutsam gezogen werden und der Gestürzte sollte sich nach hinten lehnen und mit den Füßen versuchen den Rand zu übersteigen.

Befindet sich die Gruppe in einer spaltenreichen Zone und kann deshalb nicht einfach nach hinten laufen, muss sich jede Person über eine Prusik selbst sichern, stehen bleiben und am Seil ziehen, während die Prusik nach vorne geschoben wird.